Montag, 21. März 2016

Fliegendes Fleisch




Irgendwann in der Vergangenheit…






Ich weiß noch, wie wir damals in Schottland waren. María war noch ganz klein, so um die 2, 3 Jahre alt. Ich studierte und Nadine putzte bei einer Lehrerin, die Spanisch sprach und allmählich bei immer mehr ihrer Nachbarn. Wir wohnten in einer kleinen Wohnung auf dem Campus, für Familien. Kleine Familien, denn die Wohnung war nur eine 1-Zimmer-Küche-Diele-Bad-Wohung. Und die Heizung war elektrisch. Und an Weihnachten flog Fleisch durch die Gegend. Was wohl María von ihren Eltern dachte. So mit 2 ½ Jahren. Weihnachten in Schottland und dann noch fliegendes Fleisch. Ihre Mutter, ihr Vater schreit, ihre Mutter guckt böse, schweigt, ihr Vater heult. Und es ist Weihnachten. Heiligabend, glaub ich. Das Fleisch fliegt wie der Weihnachtsmann durch die Gegend. War eh zäh, wie alles, was Nadine an Schnitzeln und Steaks gemacht hat. Das konnte sie nicht.

ich würde alles dafür geben, in diese Zeit zurückzukehren

aber es gibt kein Zurück

zurück zum fliegenden Fleisch

noch einmal mit Nadine streiten

ich würd alles dafür geben

Nachts umarmten wir uns immer. Lagen die ganze Nacht in den Armen des anderen. Das ham wir sonst nie so gemacht. In Deutschland, mit einer Heizung, die nicht elektrisch war – und das im Ölland Europas! – war mir das zu heiß. Nadine war im Bett wie ein Ofen. Heißblütig. Da passte es gut, dass wir beide zu kniesig waren, allzu viel Geld für die Elektroheizung auszugeben. Und so schliefen wir fest umarmt – was das Fleisch nicht vom Fliegen abhielt, aber immerhin unser eigenes Fleisch, und vielleicht auch unsere Herzen, erwärmte.

wie wir so umarmt dalagen, die ganze Nacht, María neben unserem Bett


Heute blickt er mit einen lachenden, einem weinenden und einem skeptischen, hinterfragenden Auge auf diese Zeit  zurück. Er fragt sich immer wieder, ob das damals vielleicht nur der Kälte geschuldet war. Diese innigen Umarmungen. Ob das nur der Tatsache geschuldet war, dass der schottische Winter noch rauer ist als der deutsche. Oder ob wirkliche Zuneigung im Spiel war. In Anbetracht der Tatsache, wie sie sich heute ihm gegenüber verhält fällt es ihm schwer, daran zu glauben.

War er etwa nur der Heizungsersatz? Oder spürte sie auch etwas, als sie ihn umarmte? Oder ist diese Wärme an sich schon „etwas“? Oder war ihr kalt und er war nur  nützlich? Oder war ihm kalt und sie diente ihm nur als lebende Heizung? Er wird es nie erfahren.

Man kann den Menschen nur bis zur Stirn gucken.

Selbst, wenn man die ganze Nacht in ihren Armen schläft kommt man nicht weiter.