Samstag, 28. Mai 2016

Schäm dich!










immer öfter denke ich, denkt er, dass es gut ist, dass sie weg ist. Nicht nur, weil sie dich ja eh nicht geliebt hat. Sondern auch, weil sie eh nicht so toll war, als Frau. Sie war eh nicht besonders schön, war hässlich. Und klein und alt, mit Falten im Gesicht.

Oft schämte ich mich richtig für sie. Dass die Leute mich anguckten, weil ich mit so einer alten, unattraktiven Frau durch die Straßen ging. Ich hab sie eh nicht verdient, wenn ich mich andauernd für sie schämte. Ich bin kein guter Mensch.

Eigentlich schämte ich mich immer. Dann hat man so eine gute Frau wie Nadine auch nicht verdient, wenn man sich für sie schämt. Von Anfang an. Die fünf Jahre Altersunterschied merkte man ganz schön bei uns. Zumindest am Anfang

Wenn sie meine Hand nahm

Was bin ich nur für ein Arschloch. Du hast alles verdient, was mit dir geschieht, geschehen wird. Was erwartest du denn

Es ist so schwer die Wahrheit zu sagen. Die volle Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Ich wünsche dir, dass du glücklich wirst, Nadine, mit jemand, der dich so liebt, wie du bist. Der dich so lieben kann, wie du bist.

Was für ein armseliges Arschloch ich doch bin.

Eigentlich ist es ganz gut, dass es aus ist. Ihre abgeschlagenen Schneidezähne, ihr einzelnes graues Schamhaar. Aber wer bist du, sie zu kritisieren (das kommt auch noch). Aber sie hat dir auch so viel Leid zugefügt, im letzten Jahr.

Ihr Körper, der trotz seiner Schlankheit langsam seine Formen verlor.

Dafür habe ich einen richtigen Shitstorm verdient. Sie hast du nicht verdient. Aber sie ist eh weg. Und das ist gut so, für sie und für dich. Dann kannst du ihr nicht mehr weh tun und sie dir auch nicht mehr.

Aber wenigstens hattest du eine Frau. Seit frühester Kindheit war ich von meinem Vater und besonders meiner Mutter darauf trainiert worden, nicht zu viel zu verlangen, vom Leben. Von der Frau. Ich war ja auch schüchtern, hatte Angst vor Frauen. Frauen wie meiner Mutter.

Wenn man das Leben sehen könnte, wie es wirklich ist, dann würde man schreiend wegrennen. Oder verrückt werden. Oder beides. Sagt Zafón. Ohne Illusionen. Aber sie hat sie dir ja genommen, deine Illusionen. Musste sie denn auch gehen?! Ihre Schwester hatte Recht: Du warst nie der Richtige für sie. Und trotzdem hast du sie geliebt, mit all ihren Fehlern. Und sie dich, obwohl sie gespürt haben muss, dass du dich für sie schämst.

Was sind wir nur für Menschen. Ohne Menschlichkeit

Da wären wir eh nie rausgekommen, aus diesem Kreislauf, dieser downward spiral.

Ich habe Angst vor dem, was ich schreibe. Ich habe Angst

Ehrlichkeit, brutale Ehrlichkeit ist das Schlimmste, was man einem Menschen antun kann. Du bist nicht schutzlos, solang du so etwas sagen, schreiben kannst, bist du alles andere als schutzlos

Eigentlich schämte ich mich immer für sie. Vielleicht ist es so besser. Vielleicht finde ich jetzt, wo sie weg ist, ja jemanden, der zu mir passt.

Wer weiß, ich bin ja noch nicht tot.

Das liegt ja auch ein bisschen an dir.

So ist das auch besser für sie. Sie braucht keinen Partner, der sich für sie schämt. Sie braucht einen, der sie so liebt, wie sie ist. Ich schäme mich für mich selbst. Aber ich habe sie auch geliebt.

Ich weiß noch, gegen Ende unserer Beziehung, beim oder nach dem Sex dachte ich, dass ihr Körper langsam an Schönheit verliert, dass sie langsam alt wird

Das ist an sich schon das Traurigste, was es gibt auf dieser Welt.

Fortsetzung folgt…