Sonntag, 5. Juni 2016

Scheiße am Penis













Du weißt noch, einmal in Ecuador, in ihrem Heimatdorf in der Nähe von Ambato auf 3000 Meter Höhe, kurz bevor du den größten Fehler deines Lebens gemacht hast und sie geheiratet hast, obwohl du dir nicht sicher warst, obwohl du dir jeden Tag die gleiche Frage gestellt hast: „Soll ich oder soll ich nicht?!“

Im Nachhinein doch wohl eher nicht.

Du weißt noch, wie du mit ihr da oben geschlafen, da oben im ersten Stock ihres Hauses. Oder war es das ihrer Eltern? Wer weiß, du wirst es bestimmt nie erfahren.

Auf jeden Fall hast du mit ihr geschlafen, unter einer dieser dicken Decken, die die in Ecuador haben, weil sie trotz 3000 Meter Höhe keine Heizung haben – und eigentlich auch nicht brauchen, weil Ecuador ja, wie der Name schon sagt, genau am Äquator liegt. Sie war wie immer oben (du hast sie viel zu oft die obere, dominantere Position einnehmen lassen – heute weißt du das, heute, wo es zu spät ist) und alles lief ganz gut (tat es das wirklich?). Bis du auf einmal ein komisches Gefühl hattest. Dass da irgendwas nicht stimmte. Mit deinem Penis. Mit ihrer Vagina. Und als du nach unten fasstest, und dir den Finger zu allem Überdruss noch vors Gesicht und fast unter die Nase hieltest, wusstest du, was es war. Denn an deinem Finger war Kacke. Scheiße! Nein, keine Scheiße, obwohl eigentlich doch.

Wo kam die denn her, so plötzlich?!

Von dir konnte sie nicht sein.

Sie guckte mich an, so als wollte sie sagen: „Was ist?“

Und du zeigtest ihr deinen Finger. Mit den kleinen, braunen Kackebrocken. Hieltest ihr den Finger fast unter die Nase. Sie hörte sofort auf zu stoßen und guckte sich die Kacke an. Packte sich an ihren Arsch. Und bemerkte, dass sie von ihr stammte, dass sie sich ihren Hintern wahrscheinlich nicht ganz so gründlich (wie er immer) abgewischt hatte…


Heute muss er immer wieder an diesen Moment denken. Diesen Moment kurz bevor er sie im Standesamt von Ambato ehelichte, am vorletzten Tag seiner Ecuador-Reise. Irgendwie ist dieser Moment ihm im Gedächtnis kleben geblieben. Im wahrsten Sinnes des Wortes. Bis er irgendwann nach der Trennung von seinem Gehirn wieder aus der Versenkung geholt wurde, aus irgendeinem obskuren oder nicht ganz so obskuren Grund. Die Wege des Gehirns sind unergründlich. Oder nicht ganz so unergründlich. Heute sieht er das Ganze irgendwie symbolisch. Von wegen er hat damals irgendwie voll in die Scheiße gegriffen und nichts gemerkt. Kann ja mal passieren. Sollte aber nicht. Hätte aber nicht sollen.

Voll in die Scheiße gegriffen. Das war wie eine Warnung, eine Warnung, die er in seinem jugendlichen Leichtsinn (er war ja auch gerade erst 20 geworden!) nicht beachtet hat.

Und das hat er jetzt davon…

Von seinem Griff ins Klo

Aber was hätte er auch tun sollen? Hätte er sie nur wegen ein bisschen Kacke nicht heiraten sollen?! Weil sie ein bisschen Dreck am Stecken hatte? Er hätte sich viel Ärger erspart, viel Langeweile, viel Gefühlskälte, viel Trauer nach der Trennung…

…aber wär sein Leben tatsächlich besser geworden, ohne sie, ohne María, die dann nie geboren worden wäre…

…und die das einzig Gute, das einzig Positive zu sein scheint, was aus dieser ungleichen Beziehung hervorgegangen ist…

Auf diese Frage gibt es keine Antwort, wie auf so viele nicht nur in letzter Zeit