Freitag, 15. Dezember 2017

Ihre kleine Seele



Hey, man
How come you treat your woman so bad?
That's not the way you do it
No, no, no, you shouldn't do it like that
I could show you how to do it right
I used to practice every night on my wife, now she's gone
Yeah, she's gone
You see, her mother and me
We never got along that well, you see

 (Pulp - "A little soul")
  








Ich habe ihre kleine Seele auch verletzt. Vielleicht habe ich das ja alles verdient, was mir passiert ist. Die Trennung, die Scheidung, die finanziellen Probleme…

…als ich damals ihre Freundin angemacht habe… Wie hieß die noch mal? Keine Ahnung. Lydia? Nein, das war die Schwarze, bei der wir unser erstes Mal hatten. Sylvia? Nein, das war die Sexbombe, die eigentlich Informatikerin war, aus dem Dschungel kam und aussah…wie eine Sexbombe halt so aussieht… Die mit dem alten Typen zusammen war, mit diesem Santa Ruseño. Der aus dem gleichen Dorf kam wie Nadine. Und mindestens zwanzig Jahre älter war als dieser kleine, perfekte Schoko-Sahne-Schnitte aus dem Dschungel, die dich fast zum Tiger hat werden lassen…wenn sie nicht mit diesem alten Gockel zusammen gewesen wäre…




Aber egal: Auf jeden Fall weiß ich nicht mehr genau wie die hieß. Will es vielleicht auch gar nicht mehr wissen. Habe es verdrängt. Weil es eine von vielen unrühmlichen Erinnerungen ist, die dir aufzeigen, was für ein Arschloch du damals warst. Wie du die Frau verletzt hast, die du eigentlich all die Jahre geliebt hast. Als du die angerufen hast, von deiner Mutter aus, auf ihrem Handy, dessen Nummer du in mühsamer Kleinarbeit aus den Telefonlisten deiner Frau herausgesucht hattest. Wie erniedrigend, wie enttäuschen muss das gewesen sein – ganz zu schweigen von Conchita. Concepción. Wie du sie gefragt hast, ob sie nicht mal mit dir weggehen wolle…, während deine Mutter neben dir in dem knisternden Korbsessel auf dem Balkon saß. Wo meine Schwester mir noch geraten hat, die am frühen Abend anzurufen, da seien Frauen ihrer Meinung nach empfänglich für so was, weil sie da „melancholisch“ seien. Oder war es nicht melancholisch, sondern etwas anderes? Du weißt es nicht mehr. Obwohl Nadines Freundin nicht ganz so empfänglich für deine Avancen war (vielleicht lag es ja an der Tageszeit, denn bis zum Abend wolltest, konntest du nicht mehr warten und hast sie am Ende, glaube ich, schon am frühen Nachmittag angerufen). Sie hat ihn abgelehnt, deinen Vorschlag, wollte nicht mit dir „rausgehen“, hat dich abgelehnt, dir einen Korb gegeben, als sie sagte: „Nadine ist meine Freundin, das geht nicht. Das kann ich nicht machen…“

„Das mache ich nicht.“

Und trotzdem hast du es ihr gebeichtet. Keine Ahnung warum. Aus Ehrlichkeit oder purem Sadismus? Oder ehrlich Sadismus? Ehrlichem Sado-Masochismus? Oder hast du es ihr gar nicht gebeichtet? Oder hat sie etwa Mónica oder Lydia oder wie auch immer die hieß angerufen und es ihr gesagt?

Musste das sein? Du hast dieser kleinen Frau, die sie in Schottland immer petite genannt haben, das Herz gebrochen. Zuerst das Herz und dann die Seele. Dieser kleinen Frau, die du immer noch liebst, immer geliebt hast, das weißt du jetzt. Jetzt, wo es zu spät ist. Die all die Jahre an deiner Seite verbracht hat, treu war, deine Macken, deine Affäre, deine Depressionen, alles ausgehalten hat…

(weil sie dich geliebt hat)

…bis sie nicht mehr konnte…

…nicht mehr wollte…

…bis es nicht mehr ging…

…weil es zu viel war…

Warum hast du sie damals nicht wertgeschätzt? Wenn du sie doch geliebt hast? Geradezu vergöttert hast? Was bist du nur für ein Idiot?! Was bist du nur für ein Arschloch?!

Ein trauriges Arschloch, ein am Boden zerstörter Idiot, der sich nichts mehr wünscht…als dass sie zurückkommt, diese kleine Seele von Mensch, die sein Leben in einen Scherbenhaufen verwandelt hat. Ohne Halt und Kraft für einen Neuanfang. Indem sie gegangen ist, ihn verlassen hat, sich hat scheiden lassen. Und so ist das Einzige, was ihm geblieben ist, jeden Tag die Scherben von neuem so gut wie möglich zusammenzuklauben, sich jeden Tag aufs Neue an ihnen zu schneiden, weil der Schmerz, der permanente Schmerz das Einzige ist, was ihm geblieben ist. Wie Johnny Cash, der singt, dass er sich immer wieder verletzt, um zu sehen, ob er noch lebt.

I hurt myself today
To see if I still feel
I focus on the pain
The only thing that's real
The needle tears a hole
The old familiar sting
Try to kill it all away
But I remember everything
What have I become
My sweetest friend
Everyone I know goes away
In the end
And you could have it all
My empire of dirt
I will let you down
I will make you hurt


…all die Jahre (um deine Mutter zu zitieren) hast du sie wie Scheiße behandelt, unter Wert (obwohl sie für dich das Wichtigste auf dieser Welt war), eure Beziehung als selbstverständlich angesehen, wie etwas, für das du nicht arbeiten musst, das keinen Wert hat (obwohl all die Jahre es das Einzige war, was dich halbwegs am Leben gehalten hat), wie Dreck. Hast ihre Anwesenheit neben dir im Bett oder am Abendtisch, unter dir beim Sex, an deiner Seite beim Laufen für selbstverständlich erachtet, wie ein Ding, eine Sache, hast sie behandelt wie ein kleines Haustier, sie nicht geachtet, wie ein kleines ecuadorianisches Meerschweinchen, das sowieso nichts Besseres kennt. Von klein auf nicht. Nichts Besseres gewöhnt ist

Es tut mir leid



Aber mein Leben hat keinen Sinn mehr

…if I could start again, a million miles away…
…I would keep myself…I would find a way…